WaVliNähr - Biobasiertes und funktionalisiertes Wachstumsvlies zur permanenten Nährstoffversorgung und ökologischen Schädlingsbekämpfung für Pflanzen

Der Verbrauch von Gemüse ist in Deutschland ungebrochen hoch und wird auch auf Grund des aktuellen Trends zu einem gesünderen und nachhaltigeren Lebensstil weiterhin steigen. So hat sich der Pro-Kopf-Verbrauch von Gemüse (und Frischobst) in Deutschland seit dem Jahr 1950 mehr als verdoppelt (1). Diese Entwicklung gepaart mit den Folgen des Klimawandels, den zunehmend unkontrollierten Anbaubedingungen (Dürre, Sturzregen, kurze, aber harte Kälteperioden) und den begrenzten sowie stetig abnehmenden landwirtschaftlichen Nutzflächen, erschwert den Bauern konstante Ernteerträge einzufahren. Um diesen Herausforderungen entgegenzutreten, haben sich Wachstumsvliese in der Landwirtschaft zur Optimierung des Pflanzenwachstums (gleichmäßiger Feuchtigkeits- und Wärmeaustausch), einer Ernteverfrühung und zum Schutz vor Kälte, Schlagregen, Hagel und Wind bewährt. Des Weiteren beugen sie Schädlingsbefall sowie Vogel- und Wildfraß vor. Vorwiegend werden die Vliese in den kühleren Jahreszeiten (Spätherbst, Winter, Frühling) über Pflanzensprösslinge gelegt und befestigt bis auch nachts mildere Temperaturen herrschen und somit wird zu einer Ertragssteigerung der Ernte beigetragen. Garten-, Unkraut- und Wachstumsvliese bestehen aus feinen verwitterungsfesten Polymerfasern, meist PP und werden über die Pflanzen gelegt oder gespannt. Unter diesen Vliesen und Folien können sich Radieschen, Salat, Möhren und Mangold befinden und werden dank des entstehenden Mikroklimas und Wärmespeichers bis minus sieben Grad vor dem Erfrieren geschützt. Im Sommer nutzt man hingegen die licht- und luftdurchlässige Auflage zum Schattieren hitzeempfindlicher Salate und anderer junger Setzlinge. Ein Nachteil ist, dass das Gewebe bei Nässe rasch verschmutzt, kaum dehnbar ist und unter Spannung leicht einreißt. Deshalb sollte es von vornherein großzügig ausgelegt werden. Die Vliese beginnen bei einem Quadratmetergewicht von ca. 18 g/m², wobei dickere Wintervliese auch bis ca. 50 g/m² erhältlich sind. Letztere werden eher zum Schutz von Kübelpflanzen verwendet und werden deshalb für das vorliegende Projekt nicht weiter betrachtet. Neben der wärmespeichernden/-abschirmenden Wirkungen (vgl. hierzu Abb. 2) ist somit nicht nur eine deutlich frühere Aussaat möglich, auch der Ertrag wird maßgeblich gesteigert.

Um das Pflanzenwachstum nicht nur zu fördern, sondern zudem die Pflanzen gegen Schädlinge zu schützen, stehen die Vliese in verschiedenen Ausführungen, etwa Maschenweiten, zur Verfügung. Hierbei gilt, je dichter das Netz, desto größer ist der Zusatznutzen, zum Beispiel als Wind-, Kälte- oder Verdunstungsschutz. Umgekehrt staut sich hingegen bei hoher Sonneneinstrahlung und stehender Luft die Wärme. Bei gewissen Gemüsearten muss daher das Vlies bei sehr hohen Temperaturen aufwendig entfernt werden. Gleiches gilt, um die Pflanzen zur Befruchtung bei Blühbeginn freizusetzen, sie zu düngen, gegen Schädlinge zu spritzen oder nach vollständiger Entwicklung zu ernten. Auch wenn hier ein enormer zusätzlicher Aufwand von Nöten ist, so überwiegen die Vorteile von Wachstumsvliesen doch deutlich, durch eine Verlängerung der Wachstumsperiode, Verbesserung der Anbaubedingungen und folglich höhere Erträge.

Ein Problem beim Einsatz dieser Wachstumsvliese ist jedoch, dass einzelne Kunststofffasern des Vlieses beim Einholen durch Abrisse und Beschädigungen auf Grund scharfkantiger Befestigungselemente auf den Feldern zurückbleiben und zur Umweltverschmutzung durch Mikroplastik beitragen können. Über Umwege gelangen diese kleinen Kunststoffpartikel in die Nahrungskette und stellen gesundheitliche

Risiken für Mensch, Tier und Natur dar. Es gibt zwar bereits Vliesalternativen auf Basis von Biopolymeren (siehe Kapitel 4.1.6), allerdings können diese nur sehr kurz eingesetzt werden, da ihre mechanischen Eigenschaften den Anforderungen nicht genügen. Darüber hinaus gibt es bislang keine Wachstumsvliese mit integrierten Düngemitteln. Würde man Vliese mit einer einfachen Beschichtung an synthetischen Düngemitteln ausstatten, so würden die Nähr- und Abwehrstoffe bei Wasserkontakt, z.B. bei Niederschlagsereignissen schlagartig komplett abgelöst werden. Dadurch gelangen überschüssige Mengen, welche nicht unmittelbar von den Pflanzen aufgenommen werden können, direkt in die Umwelt, was zu einer Grundwasserverunreinigung, Übersäuerung der Böden und zu hohen N2O-Emissionen führt (4) (5). Dadurch kann kein langanhaltender Düngereffekt erzielt werden, wodurch mehr Dünger auf den Vliesen aufgebracht werden muss, was erneut mit erhöhten Kosten und Umweltverschmutzungen einhergeht.

Marktbedarf

Die Ertragssteigerung von Obst und Gemüse ist eine wichtige globale Säule, um die Versorgung der Menschen zu sichern. In dem angestrebten Projekt möchte man sich hierbei nicht auf die oft viel diskutierten pflanzenwachstumsfördernden Mittel, Pflanzenschutzmittel oder eine genetische Manipulation der Pflanzen konzentrieren, um den Ertrag zu steigern, sondern auf die verbesserten Anbaubedingungen durch Wachstumsvliese. Die heute am Markt befindlichen Wachstumsvliese sorgen für einen gleichmäßigen Feuchtigkeits- und Wärmeaustausch, einen hervorragenden Schutz vor Kälte, Schnee und Schädlingen und bieten somit ideale Verhältnisse für ein optimales und gesundes Wachstum unterschiedlicher Kulturen, was für eine Ernteverfrühung sorgt. Da die Vorteile dieses Materials auch am Ende des Sommers greifen, verlängert sich die Anbausaison somit im Schnitt um 1,5 bis 2 Monate pro Jahr.

Unabhängig der Vorteile von Wachstumsvliesen allgemein, sieht man in der bedarfsgerechten Freisetzung von Nährstoffen und schädlingsabwehrender Stoffe einen großen Mehrwert und Marktbedarf, welcher bislang nicht durch synthetische oder nachhaltige Vliese erfüllt werden kann. Bereits heute werden Nährstoffe von Pflanzen und deren Böden mittels unterschiedlicher IR-, pH- und optischen Sensoren und Analysemethoden gemessen und eingehend analysiert (6). Mittels Proben, Drohnen oder Anbaugeräten von Traktoren werden die Nährstoffe, zumeist der Stickstoffgehalt der Pflanzen gemessen und geben anlässlich der Daten Empfehlungen über die Menge und den Zeitpunkt der Düngung. Da die Vliese die Pflanzen bedecken, sind optische Messmethoden bei Vliesen nicht anwendbar. Um aber eine präzise, kontrollierte und pflanzenspezifische Düngesteuerung zu erzielen sind neue Mechanismen und Technologien in der Nährstofffreisetzung von Vliesen mit Düngeeffekt nötig. Bis dato gibt es zwar biologisch abbaubare Wachstumsvliese, was die Nachhaltigkeit der Produkte bereits steigert, jedoch besitzen diese keine weiteren funktionellen Eigenschaften, um die Nachfrage des Marktes nach einer bedarfsgerechten Düngung zu erfüllen.

Ziel des Projekts ist die Entwicklung eines nachhaltigen, auf biokunststoff-basierten Wachstumsvlieses mit umweltverträglicher, anhaltender Dünger- und Schädlingsbekämpfungsfunktion für die Landwirtschaft. Als Primärmarkt und zur effizienteren Entwicklung möchte man sich hierbei auf den Anbau von Kopfsalat konzentrieren, da dieses Gemüse nicht nur effizient gegen widrige Umwelteinflüsse mit Wachstumsvliesen geschützt werden kann – auch ein mehrmaliger Anbau pro Saison ist möglich, was zu einer nennenswerten Ertragssteigerung führen kann. Auf Grund des Klimawandels wird es in Zukunft vermutlich möglich sein, ohnehin bereits früher im Jahr mit dem Anbau zu beginnen. Jedoch ist auch mit immer stärkeren und unvorhergesehenen Wetterextremen zu rechnen, welche die Ernte bereits im Frühjahr zerstören kann, was deren Schutz zur Aufrechterhaltung der Bevölkerungsversorgung so wichtigmacht. Die Einschränkung bzw. Fokussierung auf Kopfsalat ist nicht nur bezüglich der Verwertung am vielversprechendsten, sie hat auch einen praktischen Hintergrund – da jede Pflanze verschiedene bedarfsgerechte Zusatz- und Nährstoffe benötigt, möchte man die Matrix an möglichen Kompositionen im Rahmen halten, um auch die Projektlaufzeit nicht zu gefährden. Die Erkenntnisse aus dem Projekt sind jedoch grundsätzlich nicht auf den Anbau von Kopfsalat beschränkt, da die Ergebnisse auch maßgeschneidert auf weitere Anbauarten wie Blumenkohl, Endiviensalat oder auch Möhren angepasst werden können.

Das zu entwickelnde Wachstumsvlies soll nun den Anforderungen der Mechanik, UV-Stabilisation, Licht- und Wasserdurchlässigkeit, Atmungsaktivität und Witterungsbeständigkeit gerecht werden, biologisch abbaubar sein und eine kontrollierte Freisetzung funktioneller Nähr- und Wirkstoffe ermöglichen. Weiterhin soll das innovative Wachstumsvlies mehrjährig verwendet werden und für drei Anbauzyklen Nährstoffe abgeben können. Da bereits mechanisch stabile und teils biologisch abbaubare (auf Polymilchsäure basierende; PLA) Vliese existieren, wird das Hauptaugenmerk des Entwicklungsprojekts auf der integrierten Nährstoffversorgung und den schädlingsabwehrenden Wirkstoffen liegen.



Projektleitung

Prof. Dr.-Ing. Michael Nase
T +49 9281 409-4730
michael.nase[at]hof-university.de

Projektdauer

01.07.2023 - 30.06.2026

Förderprogramm

Zentrales Innovationsprogramm Mittelstand

Adressierte SDGs (Sustainable Development Goals)