BioSlide - Entwicklung einer biokunststoffbasierten, biologisch abbaubaren Gleitfläche für Anwendungen im Anlagen- und Maschinenbau sowie im Ski-, Snowboard- und Wassersportsektor

Gleitmaterialien bestehen zumeist aus petrochemischen (ultra)hochmolekularen Polyethylenen, welche neben ihren herausragenden Gleiteigenschaften zudem einen geringen mechanischen Verschleiß, eine extrem hohe Schlagzähigkeit sowie eine gute chemische Beständigkeit aufweisen. Daher kommt diese Kunststoffklasse üblicherweise in stark abrasiven Umgebungen zum Einsatz (z. B. als Gleitlager/-fläche oder Führungselemente), in welchen hohe Reibbelastungen herrschen. Dadurch kommt es naturgemäß zu einer besonders starken Abnutzung durch Abrieb des Kunststoffs, wodurch wiederum nicht nur größere Mengen an sichtbaren Plastikmüll entstehen, sondern ebenso signifikante Mengen an umweltschädlichem Mikroplastik. 

Dieser entstehende Müll, hat insbesondere bei Anwendungen in der Natur, verheerende Auswirkungen auf das ökologische System. Hierzu zählt auch der Wintersport, bei welchen Gleitmaterialen in großen Mengen als Ski- und Snowboardbeläge zum Einsatz kommen. Wohingegen Plastikabfälle von Verpackungen o.Ä., wenn sie auf der Piste und neben den Berghütten und -restaurants liegen, für jeden sichtbar sind, lässt sich Mikroplastik, feiner Kunststoffabrieb und synthetische Wachsreststoffe dieser Beläge, auf Grund der geringen Größe nicht aus der Umwelt entfernen. Ein aktueller Bericht des Deutschen Alpenvereins verdeutlicht, dass diese Problematik nicht nur für Ski und Snowboards gilt, sondern auch z.B. bei Kunststoffrodeln starker Abrieb erfolgt. 

Jedoch entsteht der Plastikmüll nicht nur bei der finalen Verwendung und im Einsatz. Auch bei der Herstellung in generell allen kunststoffverarbeitenden Industrien kann es bereits bei der Bereitstellung, dem Transport oder bei Ab- und Umfüllvorgängen, der für die Kunststoffindustrie benötigten Pellets, zu deren Verlust kommen. Bei der innerbetrieblichen Bearbeitung fallen weitere Kunststofffragmente an, die nach Möglichkeit direkt im Betrieb rezykliert oder im Abfall entsorgt werden sollten – was jedoch nicht immer der Fall ist. Pellets oder Bearbeitungsrückstände, die auf offenem Betriebsgelände gelagert werden, sind Wind und Regen ausgesetzt und können auf umgebende Boden- und Wasserflächen vertragen oder mit dem Regen von versiegelten Flächen in die Kanalisation gespült werden . Freiwillige Initiativen wie die „Operation Clean Sweep“ von Plastics Europe und der österreichische „Zero Pellets Loss“ Pakt zwischen Unternehmen der Kunststoffindustrie und dem österreichischen Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft verdeutlichen das bereits vorhandene Problembewusstsein sowie die Bereitschaft, den Beitrag zur Mikroplastik-Belastung der Umwelt aktiv zu reduzieren . Die Studie „Plastik in der Donau“, des Umweltbundesamts (2015) zeigt auf, dass etwa 10 % der Mikroplastik-Belastung in der Donau einer industriellen Quelle zugeordnet werden können. Grenzwerte für (Mikro-)Plastik gibt es zwar bislang keine, aber die negativen Auswirkungen von Mikroplastik wurden in unzähligen wissenschaftlichen Studien und Berichten belegt, u.a. Verschmutzung von Gewässern und Böden, das Eindringen von Mikroplastik in die Nahrungskette, u.v.m.  

Das Grundmaterial Material für diese Produkte, Polyethylen (PE), bzw. ultrahochmolekulares PE (PE-UHMW), lässt sich theoretisch einfacher recyceln als andere Plastiksorten. Jedoch benötigt man für die chemische Aufbereitung und die erneute Herstellung von qualitativ hochwertigen PE sortenreines Material, welches getrennt wird nach Dichte, d.h. LDPE und HDPE, sowie frei von Additiven wie Farbe und Weichmachern ist, was bislang für viele recycelbare Kunststoffe ein ungelöstes Problem darstellt . Bislang gibt es jedoch keine nachhaltige Alternative zu derartigen mineralöl-basierten PE im Ski-, Snowboard- und Langlaufsport, wodurch jedes Jahr tausende Tonnen1 an Mikroplastik insbesondere in sensible, entlegene Ökosysteme gelangen, in denen Ski-, Langläufer und Skitourengeher üblicherweise aktiv sind. 

Ökonomischer und Ökologischer Handlungsbedarf 

In vielen Kunststoffindustrien und insbesondere im Hardwarebereich der Ski- und Snowboardindustrie werden zunehmend nachhaltige Produkte von den Kunden gefordert. Da dies jedoch nicht ohne weiteres möglich ist, kommt es oft zu einem Materialmix aus synthetischen und nachhaltigen Materialien, was die Recyclingfähigkeit oder biologische Abbaubarkeit nicht wirklich verbessert. Ohnehin sind auch heutige Ski und Snowboards komplexe Materialverbunde und gelten nach deren Nutzung als Sondermüll. Die Substitution von erdölbasierten durch biobasierte Polymere kann hier einen erheblichen Beitrag zur Vermeidung von komplexem Sondermüll leisten – sowohl bereits während der Produktion als auch während der Nutzung durch die Vermeidung von Mikroplastik – wenn es gelingt, ein 100 % nachhaltiges Produkt zu entwickeln. Bei der Polymermatrix, den Additiven und Füllstoffen, bieten biogene Rest- und Abfallstoffe aus anderen Industriezweigen, wie etwa Schnittreste aus der Holzindustrie, Reststoffe aus der Landwirtschaft, Kaffeesatz, Mineralien etc., einen vielversprechenden Lösungsweg auch für Ski und Snowboards. Durch die Verwendung biogener Reststoffe für biobasierte Polymere aus regionalen Bezugsquellen kann man zudem den ländlichen Raum stärken und dort für neue Arbeitsplätze und eine langfristige nachhaltige Technologie und Industrie sorgen.  

Die in diesem Vorhaben adressierten Gleitbeläge/-flächen aus Kunststoff führen durch ihren anwendungsbedingten, hochbelasteten tribologischen Einsatz zu einem besonders hohen Anteil an Abrieb und somit umweltschädlichem Mikroplastik. Betrachtet man den in diesem Vorhaben primären Anwendungsfall im Wintersport, so gibt es bereits seit Jahren einen starken Trend zu Skitourengehen/Splitboarden bzw. Freeriden abseits der präparierten Pisten. Dieser Trend wurde durch die Coronapandemie und dem Stillstand der Liftanlagen noch zusätzlich gestärkt. Jedoch greift man gerade dort stark in die schützenswerte Natur der Bergregionen ein und der Abrieb steigt durch den Verschleiß der Lauffläche im Kontakt mit Felsen, Kies und Ästen, mit denen die Skitourengehen zwangsläufig in Berührung kommen. Um die Reichweite des Projekts zu erhöhen und die Vermarktungsperspektiven zu stärken, sollen die Erkenntnisse aus dem Projekt und der Anwendung für Ski- und Snowboardlaufflächen auch auf weitere Industriezweige und Gleitflächen erweitert werden. Egal ob Lauffläche, medizintechnische Produkte, Automobilbauteile, Kunststoffgleitlager in Transportanlagen (Abb. 2; hier: Einsatz in einer Flaschenabfüllung) oder Führungen von Rollenketten (Abb. 3) – in allen Fällen ist das Material hohen Temperaturschwankungen, widrigen Umgebungsbedingungen (UV-Strahlung, Kunstschnee, Schmutz, Öl u.v.m.) und einer hohen abrasiven Belastung ausgesetzt. In vielen Fällen kommt dabei meist die gleiche Kunststoffklasse zum Einsatz, das PE-UHMW . 

Insgesamt stammt ein Großteil des Kunststoffeintrags in die Umwelt aus Produkten, die zur umweltoffenen Anwendung hergestellt und dort eingesetzt werden – z. B. landwirtschaftliche Folien, Baufolien, Palisaden, Spiel- und Sportgeräte, Farben, Textilien oder Autoreifen. Im Laufe ihrer Nutzung können durch Abnutzung, Abrieb oder Zersetzung kleinere Kunststoffpartikel entstehen und in die Umwelt gelangen, aus der sie dann nicht wieder entfernt werden können. Von umweltoffen eingesetzten Kunststoffprodukten verbleiben etwa 150.500 bis 253.000 Tonnen in der Umwelt. Zu diesem direkten Eintrag in die Umwelt kommen Kunststoffabfälle aus weiteren Quellen hinzu, wie z. B. Reinigungs-/Rückbaumaßnahmen oder der Produktion. Bei einer weltweiten Produktionsmenge von > 52 Mio. Tonnen PE genügt bereits ein kleiner Prozentanteil, um die Umwelt nachhaltig zu schädigen.  


Projektleitung

Prof. Dr.-Ing. Michael Nase
T +49 9281 409-4730
michael.nase[at]hof-university.de

Projektdauer

01.01.2023 - 30.06.2025

Förderprogramm

Zentrales Innovationsprogramm Mittelstand

Adressierte SDGs (Sustainable Development Goals)